20.12.2023


Ich bin glaube ich nicht der erste Brauer der nach Jahren irgendwann notwendigerweise auf den Sauerbier-Zug aufgesprungen ist und nach ein paar wacklingen Gehversuchen mit Kettle-Souring/Mash-Souring und gelegentlichem Brett-Pitching eine gewisse Faszination für die langsame, “richtige” Methode entwickelt hat.

Nicht falsch verstehen: Es gibt durchaus verdammt gute Biere - sogar kommerzielle - die ausschließlich mit Kettle-Souring und Lactos zum säuern auskommen. Aber selbst die landeten danach im Keller und haben sich erst einmal ein paar Monate ein Fass von innen angesehen.

Üblicherweise denk ich dann recht schnell an die infrastrukturellen Probleme und vor allem die notwendige Wartezeit als chronisch ungeduldiger Mensch und verwerf’ die Idee auch flink wieder. Als ich dann in den letzten Wochen allerdings etwas zu viel Zeit mit dem Hören des “Sour Hour” Podcasts verbracht habe hat sich die Schnappsidee wie wir Informatiker sagen in meinem Kopf persistiert.

Also warum nicht mal etwas konkreter, praktischer träumen?

Bestandsaufnahme

Ich hab einen Kellerraum mit Stromanschluss. Das ist dann auch schon das einzig positive was ich über diesen Raum sagen kann.

Insbesondere mangelt es mir an Platz, Ordnung und stabiler Temperatur. Das mit der Ordnung ließe sich korrigieren; beim Rest sieht es aber - wie der Raum selber - düster aus.

Die anderen beiden Faktoren sind scheinbar einfach Grenzen mit denen ich leben müsste: Ich müsste platzsparend arbeiten und entweder eine Temperatursteuerung haben, die Schwankungen und ihre Auswirkungen mitigieren oder einfach mit ihnen leben.

Die andere Ansammlung von Fläche die ich habe heißt Wohnung und ist noch ungeeigneter aus den selben Gründen.

Was die Fermentation angeht hab ich momentan folgendes zur Verfügung:

  • Einen Temperatur-gesteuerten Edelstahltank (30L von Grainfather),
  • der gleiche Tank, allerdings nicht (mehr) gesteuert (Thermometer im Mantel ist im Arsch) und
  • ein paar Speidel Gärfässer.

Brett hat bisher nur ein Speidel Gärfass gesehen - an sich würde ich die Edelstahltanks auch gerne unberührt lassen. Heißt: Es gibt Gärtanks, aber leider nicht Temperatur-gesteuert und unter Druck umdrücken ist aktuell auch nicht drin.

Was auch noch “Bestand” ist, ist meine mangelnde Geduld. Das hat sich über die Jahre zwar verbessert (auch wenn ich mir nicht sicher bin ob der Wille mal etwas länger zu warten bevor man abfüllt nicht auch einfach Faulheit ist), aber ein Jahr oder mehr warten auf das Resultat? Wenn, dann müsste ich schon regelmäßig und kontinuierlich brauen um nur einmal so lange warten zu müssen und dann regelmäßigen Nachschub zum Verkosten und Verschneiden zu haben. Heißt aber auch: Mehr Platzbedarf für Fässer.

Fässer und so

Wenn man sich häufig und länglich professionelle Brauer im sauren Bereich und ihre Gedanken über Fässer anhört oder deren Blogs liest lernt man recht schnell, dass Fässer nicht ganz die Rolle spielen die man ihnen immer naiv zuschrieb.

Zum einen ist da die Idee durch Fassreifung Holzaromen in’s Bier zu bekommen. Abgesehen davon dass viele Brauereien nicht wirklich Holzgeschmack wollen, sondern eher die z.B. leicht zitrus-artigen Aromen die eine helle Eiche in das Bier bringt, ist ein Fass auch nicht wirklich eine gute Methode dafür.

Zum Einen ist das Verhältnis von Oberfläche zu Bier ineffizient im Vergleich zu Holzchips oder Würfeln. Zum anderen ist der Prozess schwierig abzubrechen oder reproduzierbar zu steuern. Klar kann man nach gewúnschter Exposition in einen Edelstahltank o.ä. umschlauchen - aber auch dann stellt sich die Frage warum man nicht direkt Würfel nimmt.

Der zweite Faktor ist die vorige Nutzung des Fasses. Sehr beliebt sind gebrauchte Cherry-, Wein- oder Whiskeyfässer, die das Aroma ihres Vormieters mitbringen. Hier ist was Michael Tonsmeire in seinem Blog dazu sagt (übersetzt aus dem Englischen):

Davon abgesehen, wenn Du einen Spirituosen-/Weincharakter in Deinem Bier suchst, wäre es besser, ihn direkt in Dein Bier zu mischen. Das ist tatsächlich illegal für die meisten kommerziellen Brauer, daher sehe ich die Fass-Sache als wirklich nur einen Weg um den langen Arm des ATF. Ich glaube, man kann einen Hauch von Geschmack erhalten und den Eichencharakter etwas abmildern, indem man die Eiche in einer anderen Spirituose einweicht, bevor man sie dem Bier hinzufügt, aber ich habe nie einen Test gemacht, um zu sehen, ob dies wirklich besser ist als die direkte Zugabe der Eiche und der anderen Spirituose zum Bier.

- The Mad Fermentationist (übersetzt)

Kann natúrlich sein dass man den spezifischen Wein/Cherry/Rum/Whiskey nicht bekommt; man kann aber auch argumentieren dass man mit einer Holzwürfelmethode eben selber aussuchen kann welche Spirituose man genau in seinem Bier will. Ist schätze ich ne Religionsfrage.

Wo wir gerade bei Vormietern und Religionsfragen sind: Im Holz wohnen natürlich potentiell noch andere interessante Kollegen: Hefen und Bakterien können angeblich Zentimeter tief im Holz rumlungern und ihren Weg in’s Bier finden. Hier läuft es letztendlich auf die selber Frage hinaus: Will ich genau das was vorher da im Fass war oder lieber meine eigenen Hauskulturen heranzüchten?

So hört man am Ende recht häufig, dass kommerzielle Brauer*innen zwar alles im Holzfass machen, aber grundsätzlich Edelstahl als sehr geeignet ansehen. Am Ende ist es eine Mischung aus Preis, Traditionspflege als Marketing und Gesetzeslagen und nicht wirklich der Prozess / das Produkt was hier ausschlaggebend ist.

Als Hobbybrauer reicht mir das als Ausreden um das Thema Totbaum im Keller vorerst einmal sein zu lassen und nach Alternativen zu gucken. Und auch da findet sich die selbe Aussage vermehrt wieder - sei es in Podcasts, der MTF Wiki oder in diesem Fall bei Tonsmeire:

“Für Hausbrauer sind Cornelius-Fässer (“corny”) eine gute Wahl für die Reifung saurer Biere mit Früchten oder trockenem Hopfen, da sie eine große Öffnung haben und leicht mit CO₂ gespült werden können. Die zweite Gärung unter Druck führt jedoch zu Problemen bei der Karbonisierung, da sich zusätzliches CO₂, das von den Brettanomyces erzeugt wird, ansammelt und das Abfüllen der Fässer erschwert. Kontrollieren Sie den Druckanstieg im Fass genau, um sicherzustellen, dass er kein gefährliches Niveau erreicht.” - American Sour Beers (übersetzt)

Huh? Soda-Kegs? Wenn man bedenkt wie oft ich über Keg-Fermentation nachgedacht habe und die Idee dann wegen des miserablen Steigraums verworfen habe ist es schon fast peinlich dass ich Soda-Kegs nie für die “secondary fermentation” in Betracht gezogen habe. Klar, gibt dann einen gewissen Druckaufbau, aber mit den Bowtie Spundventilen von Kegland ist es preislich sehr vertretbar den Druck pro Fass genau zu regeln.

Und als ich dann gelesen habe dass eine Druckvergärung sogar die Entwicklung der durch Temperatur-Schwankungen erzeugten Nebenprodukte unterdrücken kann hat es für mich Klick gemacht: Das löst sowohl mein Platz-, als auch mein Temperaturproblem. Zumindest ist es einen Versuch wert - nennen wir es Experiment und dann sind wir auch nicht so traurig wenn es gegen die Wand fährt. Im schlmmsten Fall hab ich alternative Verwendungen für das Equipment.

Gärung

Wie erwáhnt hab ich 2 Gärtanks über. Da ich den Edelstahltank ganz gerne mal benutze wenn ich zwei Biere parallel braue (dann mit Kveik o.ä. wo die Temperatur nicht so kritisch ist) ist eigentlich nur das Speidel-Fass realistisch (hab zwei davon). Allerdings gibt es da noch zwei Probleme:

Zum einen kann ich da nicht unter Druck umdrücken - hier hab ich noch aus früheren Zeiten einen Bierheber. Der sorgt natürlich für Sauerstoffeintrag. Vielleicht ist das nicht ganz so kritisch (oder sogar förderlich), da ich im Zielfass ja noch nachgäre und sowohl Brett als auch Pedococcus ein bisschen Sauerstoff ganz gerne haben (Lactos aber eher nicht). Das wáre zu testen.

Viel kritischer ist aber die fehlende Temperatursteuerung. Schade dass ich meine Immersion Pro Kühler verkauft habe. Aber gut, ob die ein Jahr in der Suppe hängen wollen… Als ich mich dann nach günstigen Kammern für den Speidel umgeguckt habe bin ich beim Ferminator hängen geblieben. Mein erster Gedanke war: “Arschhässlicher Styroporkasten der auch noch überteuert ist”. Allerdings sind Kúhlschränke auch nicht wirklich günstig. Und dann hab ich das 30€ “Erweiterungsset” gesehen um einen Fermentasaurus da reinzubekommen und in der Beschreibung stand, dass dann 3 NC Kegs da reinpassen.

Holy shit! Wenn ich die Temperatur von 3 “Gärtanks” gleichzeitig halten kann sind 380€ doch nicht mehr so teuer - 6 oder sogar 12 Fässer gleichzeitig zum Gären zu nutzen hieße ein Investment von knapp 400€ pro Quartal / Halbjahr. Und in Kombination mit einem Fermentaraurus hätte ich sogar eine kontrollierte Gärkammer mit Drucktransfer-Möglichkeit. Klar, diese Piezzo-Kühler sind extrem schwach, aber es geht ja wirklich nur darum eine Temperatur im 18-20°C Bereich zu halten - kein Cold-Crash oder so. Das sollten die sowohl in der Küche als auch meinem Keller noch hinbekommen.

Tread softly because you tread on my dreams

Soviel zu Träumen. Unpraktischerweise kamen die zeitgleich zum Weihnachtsbonus, daher sind sie ein wenig aus meinem Kopf rauseskaliert und haben dem Paketboten noch schlechtere Laune verpasst als er eh schon hatte. Im náchsten Post kannste Dir den Wahnsinn dann in Bildern angucken. Soviel sei gesagt: Der Zug rollt und ob er entgleist sehen wir über die nächsten Monate…

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